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Gibt es Kriterien für die Beschaffung von barrierefreier Software?

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  1. Gibt es Kriterien für die Beschaffung von barrierefreier Software?
  2. Barrierefreiheit als Bestandteil einer technischen Spezifikation:
  3. Barrierefreiheit als (zusätzliche) Bedingung für Vertragsgrundlagen (angezeigt)
  4. Barrierefreiheit als zusätzliches Vergabekriterium

Barrierefreiheit als (zusätzliche) Bedingung für Vertragsgrundlagen:

Sofern Barrierefreiheit für neue Produkte oder Dienste erforderlich ist, besteht für Auftraggeber die Möglichkeit den Rahmen der jeweils einzuhaltenden Spezifikation bereits in einer Vertragsgrundlage bzw. bei Ausschreibung festzuschreiben.

Beispiel:

Sämtliche neu zu gestaltenden Webauftritte des Bundes müssen gemäß Verordnung die Anforderungen nach Priorität I der Bundes-BITV erfüllen. Dies sollte daher in Ausschreibungen oder Vertragsgrundlagen bei der Vergabe für neue Webauftritte entsprechend festgelegt sein. Für die freie Wirtschaft gibt es keine verpflichtenden Gesetze. Unternehmen können die Anforderungen des Bundes übernehmen oder den Rahmen der Spezifikation zum Beispiel dadurch weiter fassen, dass Sie in Ausschreibungen und Verträgen Webauftritte gemäß WCAG2.0-Konformität A einfordern .

Bei Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge sind die jeweiligen beschaffenden Institutionen zusätzlich an die „Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV)" gebunden, die wiederum je nach Art der Leistung auf weitere Detailvorschriften verweist (siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Öffentliche Aufträge

Abbildung: Ablaufdiagramm

Abbildung 7: Ablaufdiagramm zur Berücksichtigung sozialer Belange im Vergaberecht (aus: Berücksichtigung sozialer Belange im Vergaberecht)

Bei Prüfung und Wertung verschiedener gleichwertiger Angebote können neben einer reinen Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auch weitere in der Leistungsbeschreibung formulierten Eignungs- und Zuschlagskriterien herangezogen werden (siehe Abbildung 8). Soll Barrierefreiheit eines dieser Eignungs- und Zuschlagskriterien sein, so muss Barrierefreiheit bewertbar oder testbar sein und die Kriterien sollten möglichst bereits aus der Leistungsbeschreibung ersichtlich sein.

Soziale Anforderungen an den Leistungsgegenstand wie zum Beispiel die Barrierefreiheit eines Gebäudes oder eines Internetportals werden dabei in der Leistungsbeschreibung entweder als k.o.-Kriterium formuliert oder mit der Möglichkeit die Erfüllung im Rahmen der Zuschlagskriterien zu bewerten. Barrierefreiheit ist damit entweder ein erforderliches Qualitätskriterium oder ein zusätzliches Vergabekriterium.

Barrierefreiheit als erforderliches Qualitätskriterium: Barrierefreiheit als erforderliches und in der Leistungsbeschreibung festgelegtes Qualitätskriterium setzt Testbarkeit oder Überprüfbarkeit der Barrierefreiheit voraus .

Für Internetangebote ist im deutschsprachigen Raum eine solche Testbarkeit mittels des BITV-Tests gegeben). Eine mögliche Vorgabe für die Leistungsbeschreibung eines zu erstellenden Internetauftrittes könnte daher in etwa lauten:

„Der Internetauftritt soll alle Vorgaben gemäß Priorität I der BITV 2 erfüllen. Der Prototyp des Frontends muss in einem abschließenden BITV-Test mindestens 95 Punkte erreichen.“

Eine zu erfüllende Vorgabe ist mit dieser Formulierung eindeutig festgelegt: der erste Satz bezieht sich auf die Verpflichtung des Bundes für eigene Internetauftritte und legt eine Spezifikation fest, nämlich die BITV2; der zweite Satz legt ein Testverfahren fest und gibt einen in diesem Testverfahren zu erreichenden minimalen Grenzwert an (gemäß BITV-Test die Untergrenze für sehr gut zugängliche Internetauftritte). Die nicht an die BITV gebundene Privatwirtschaft kann bei Bedarf auch eine geringere zu erreichende Punktzahl einsetzen oder Konformität zur Stufe A der WCAG 2.0 (Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.0) vereinbaren. Eine erforderliche Zielvorgabe muss klar festgeschrieben und (durch unabhängige Dritte) überprüfbar sein.

Etwas problematischer ist die Festlegung einer technischen Spezifikation beziehungsweise eines zu erreichenden Zielbereiches für Software allgemein. Der BITV-Test lässt sich insbesondere mit der Punktevergabe der Gesamtauswertung lediglich auf Internetangebote anwenden . Die „ DIN EN ISO 9241-171 Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software“ lassen eine Auswertung und Vorgabe eines zu erreichenden klar definierten Zielbereichs nicht zu. Mit Einschränkungen können solche Vorgaben allenfalls auf Basis des BaNu-Hilfsmittels erfolgen (vergleiche: Hilfsmittel für die Überprüfung der Barrierefreiheit von Software).

Die neue EN 301 549 definiert zwar klare Vorgaben für die Barrierefreiheit von Software, konkrete Prüfempfehlungen für diese Vorgaben fehlen jedoch bisher (abgesehen von Prüfanweisungen zum von uns überarbeiteten Vorprüfungstest).

In einer Leistungsbeschreibung für zu beschaffende Software muss bisher nicht zwingend ein mittels technischen Spezifikationen beschriebenes „Mindestmaß an Barrierefreiheit“ als erforderliche Zielvorgabe festgelegt werden. Barrierefreiheit kann in Beschaffungen auch als zusätzliches Vergabekriterium berücksichtigt werden.

Die bisherigen Vergabe- und Vertragsordnungen VOL/A, VOB/A und VOF mit Detailvorschriften der Vergabe von Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträgen und die Vergabeverordnung (VgV) sowie die Sektorenverordnung (SektVO) werden bis April 2016 aufgrund zweier europäischer Richtlinien angepasst werden müssen:

Beide Richtlinien enthalten unter anderem einen Absatz (Absatz 3 in Richtlinie 24; Absatz 5 in Richtlinie 25) mit Verweis auf die UN-Behindertenrechtskonvention und daraus resultierenden Anforderungen für Vergabe und Beauftragung:

Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollte dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Rechnung getragen werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Wahl der Kommunikationsmittel, den technischen Spezifikationen, den Zuschlagskriterien und den Bedingungen für die Auftragsausführung.

Die technischen Spezifikationen sind in beiden EU-Richtlinien zwar nicht detailliert beschrieben, für Software sind klare Anforderungen zur Zugänglichkeit jedoch in der EN 301 549 beschrieben. Jeweils gemäß Anhang VIII und weiterer Artikel beider Richtlinien gilt, dass auf jeden Fall Anforderungen gemäß eines „Design für Alle“ und Anforderungen zur Zugänglichkeit berücksichtigt werden (sollen):

1. „Technische Spezifikation“ hat eine der folgenden Bedeutungen:

  1. bei öffentlichen Bauaufträgen die Gesamtheit der insbesondere in den Auftragsunterlagen enthaltenen technischen Beschreibungen, in denen die erforderlichen Eigenschaften eines Werkstoffs, eines Produkts oder einer Lieferung definiert sind, damit dieser/diese den vom öffentlichen Auftraggeber beabsichtigten Zweck erfüllt; zu diesen Eigenschaften gehören Umwelt- und Klimaleistungsstufen, „Design für alle“ (einschließlich des Zugangs von Menschen mit Behinderungen) und Konformitätsbewertung, Leistung, Vorgaben für Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Qualitätssicherungsverfahren, der Terminologie, der Symbole, der Versuchs- und Prüfmethoden, der Verpackung, der Kennzeichnung und Beschriftung, der Gebrauchsanleitungen sowie der Produktionsprozesse und -methoden in jeder Phase des Lebenszyklus der Bauleistungen; außerdem gehören dazu auch die Vorschriften für die Planung und die Kostenrechnung, die Bedingungen für die Prüfung, Inspektion und Abnahme von Bauwerken, die Konstruktionsmethoden oder -verfahren und alle anderen technischen Anforderungen, die der Auftraggeber< für fertige Bauwerke oder dazu notwendige Materialien oder Teile durch allgemeine und spezielle Vorschriften anzugeben in der Lage ist;
  2. bei öffentlichen Dienstleistungs- oder Lieferaufträgen eine Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Produkt oder eine Dienstleistung vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Umwelt- und Klimaleistungsstufen, „Design für alle“ (einschließlich des Zugangs von Menschen mit Behinderungen) und Konformitätsbewertung, Leistung, Vorgaben für Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen des Produkts, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung, Gebrauchsanleitungen, Produktionsprozesse und -methoden in jeder Phase des Lebenszyklus der Lieferung oder der Dienstleistung sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.
 

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